Kipping bei Forum: „Es ist möglich, Armut komplett zu überwinden“

Katja Kipping hält es für möglich, Armut komplett zu überwinden. Das sagte die Bundesvorsitzende der Linken auf einem Forum ihrer Partei in der katholischen Kirche in Leipzig-Schönefeld.

Katja Kipping, die Bundesvorsitzende der Partei die Linke.

Katja Kipping, die Bundesvorsitzende der Partei die Linke. Quelle: Foto: Armin Kühne

Leipzig

Armut hat viele Gesichter. Da sind sich Kirche und Linke einig, die zur gemeinsamen Diskussion „Vor Armut schützen und Reichtum begrenzen“ in die katholische Kirche „Heilige Familie“ am Donnerstag in Schönefeld geladen hatten. „Wir erleben in Deutschland eine deutliche Verfestigung von Armut“, konstatierte Katja Kipping, die Bundesvorsitzende der Partei Die Linke.

Das habe etwas mit materiellen Entbehrungen zu tun, aber auch mit sozialer Ausgrenzung und fehlenden Chancen, an der Gesellschaft teilzuhaben. So könnten viele Familien sich nicht mal einen einwöchigen Campingurlaub leisten oder jeden Tag ihre Wohnung ordentlich heizen. Viele trotz Arbeit! Die meisten sind in der Statistik gar nicht erfasst. 

Dennoch können sie es sich beispielsweise nicht leisten, ihre Kinder auf die Musikschule zu schicken, ein Instrument zu erlernen. „Es gibt eine große Gruppe in der Bevölkerung, die halten Armut in unserem reichen Land für die Schuld der Betroffenen. Die müssten sich eben nur mehr anstrengen“, ergänzte Propst Gregor Giele von der katholischen Trinitatis-Pfarrei. „Es gibt aber eine strukturelle Armut, die in vielen Fällen unverschuldet ist.“

Grüner wirbt für „housing first“

Pfarrer Andreas Dohrn, der für die Grünen in den Stadtrat einziehen will, sprach mit Blick auf Leipzig sogar von einem „Halbmond der Armut“, der sich durch Stadtteile zieht. Dieser startet in Grünau, geht weiter über Lindenau und Kleinzschocher, über Mockau und Möckernbis hin nach Neustadt-Neuschönefeld und Paunsdorf. 

Dies sei an den statistischen Daten abzulesen. Am stärksten betroffen seien Arbeiterfamilien mit Migrationshintergrund, Alleinerziehende, Wohnungslose, kinderreiche Familien und Alleinstehende. Um Wohnungslosen zu helfen, könne in Leipzig beispielsweise das Konzept „housing first“ umgesetzt werden. Dieser Ansatz kommt aus der US-amerikanischen Sozialpolitik und ist ein Gegenkonzept zur Notunterbringung. 

Menschen, die auf der Straße leben oder besondere Problemlagen aufweisen (Drogenabhängigkeit, psychische Erkrankungen) sollten nicht zuerst verschiedene Notunterbringungsstationen durchlaufen, sondern bekommen sofort eine Wohnung und eine adäquate soziale Betreuung zur Seite gestellt. „Da kann sich Leipzig mal anstrengen.“

Nikolaikirchenpfarrer: Wir müssen lernen, zu teilen

Nikolaikirchenpfarrer Bernhard Stief, der auch die Heilig-Kreuz-Kirche am Neustädter Markt betreut, sagt: „Wir müssen Reichtum anders einsetzen und wieder lernen, zu teilen und mit unserem Besitz Gutes zu tun.“ Es gehe wenigen Menschen auf der Welt so gut wie in Deutschland. 

Da könne es nicht sein, dass in Neustadt-Neuschönefeld mehr als 40 Prozent aller Kinder unter 15 Jahre vom Sozialgeld leben müssen. „Es ist eine Riesenherausforderung, dies zu ändern.“ Etwa 73.000 Leipziger, so Linken-Stadtrat Steffen Wehmann, seien abgehängt und direkt von Armut betroffen.

Linke setzen auf Vermögenssteuer

Doch wie wäre das zu ändern? „Wir sind grundsätzlich dafür, wieder eine Vermögenssteuer einzuführen“, so Wehmann. Die habe sich auch in anderen europäischen Ländern bewährt. „Es ist möglich, Armut komplett zu überwinden“, betonte Kipping. Notwendig sei aus Sicht der Linken eine „sanktionsfreie Mindestsicherung“, um auch gleichzeitig die Angst vor Jobverlust zu überwinden, ein höherer Mindestlohn sowie eine Mindestrente, die nicht unter 1050 Euro im Monat liegt. 

Auch Leipzig könne einiges tun, etwa indem Vereine und andere Initiativen unterstützt werden, die sich um Kinder und Jugendliche kümmern. Giele: „Armutsbekämpfung ist ein gesellschaftliches Problem – nicht zuerst ein staatliches.“

Von Mathias Orbeck